Lovebombing, wenn die Glücksgefühle verrückt spielen

von Marcus Woggesin – 16. September 2025

Ah, Lovebombing! Dieses wundervolle, moderne Märchen, das mit einem großen Knall beginnt und meist mit einer stillen, rauchenden Kraterlandschaft endet. Es ist die romantische Version eines Black-Friday-Deals: alles, ganz viel, und sofort – aber niemand liest je das Kleingedruckte.

Man wird überrannt von einer Zuneigungsschwemme, so intensiv, dass man schon fast die Rettungsringe der Vernunft werfen möchte. Plötzlich ist man nicht mehr nur ein Mensch, sondern die lebende Antwort auf all ihre Gebete, das fehlende Puzzleteil in ihrem kaputten Leben und vermutlich auch der Grund, warum die Sonne aufgeht. Es ist ermüdend, so perfekt zu sein, aber irgendjemand muss diese Rolle ja übernehmen. Die Nachrichten häufen sich an wie unbezahlte Rechnungen, die Komplimente sind so dick aufgetragen, dass man sich die Zähne daran putzen könnte, und die Zukunftspläne für nächste Woche, nächsten Monat, das ganze Leben werden in einer Geschwindigkeit geschmiedet, die jedes seriöse Bauunternehmen vor Neid erblassen ließe.

Der Charme dieser Strategie liegt in ihrer atemberaubenden Effizienz. Warum sich monatelang mit langweiliger gegenseitiger Wertschätzung aufhalten, wenn man auch einfach einen emotionalen Hochdruckreiniger auf die Person richten kann? Alles, was nicht niet- und nagelfest ist – also lästige Dinge wie eigene Meinungen, Grenzen oder ein Leben außerhalb der Beziehung –, wird weggespült. Was zurückbleibt, ist ein blitzblank geputzter, willenloser Gefährte, der nur tooooootal glücklich ist, endlich jemanden gefunden zu haben, der so genau weiß, was für ihn am besten ist.

Und das Schönste ist das Finale: Wenn die Bombardierung schlagartig nachlässt und die Stille einsetzt. Plötzlich ist man nicht mehr die Sonne, um die alles kreist, sondern bestenfalls ein langweiliger Mond, der langsam aus der Umlaufbahn entlassen wird. Ein Meisterwerk der Effizienz! Warum Zeit verschwenden, um jemanden langsam kennenzulernen, wenn man ihn auch erst vergöttern und dann ignorieren kann, um so in Rekordzeit das maximale Maß an Verwirrung und Selbstzweifel zu erzeugen? Es ist nicht gemein, es ist doch nur Leidenschaft! Oder so ähnlich. Grandios. Einfach grandios.